Struthof – und was es uns heute sagen kann …

Ich war kürzlich in Natzweiler-Struthof im Elsass (Département Bas-Rhin), einer Gedenkstätte an die schreckliche Zeit des 2. Weltkriegs. Es ist das einzige Konzentrationslager der Deutschen auf französischem Boden. Ich war bislang noch nie in einem Konzentrationslager und es hat mich sehr betroffen gemacht, vor allem, weil viele Erinnerungstafeln – gerade heute – in sehr trauriger Weise wieder zum Nachdenken anregen sollten. Laut Focus online gehören im Jahr 2022 48 Staaten zu Europa und weitere 2 sind nicht eindeutig, je nach Definitionsanwendung. In Natzweiler-Struthof stammten die Deportierten aus über 30 europäischen Ländern, das entspricht ca. 60 % des heutigen Europas! Grundlage war der sogenannte Nacht- und Nebel-Erlass von 1941. Er sah vor, Widerstandskämpfer spurlos verschwinden zu lassen und das KZ Natzweiler sollte die NN-Deportierten aus ganz Europa aufnehmen. Diese nicht mehr ‚existenten‘ Menschen „erlebten in den Lagern den vollständigen Verlust ihrer Menschenrechte, aber auch Beweise außergewöhnlicher Solidarität über Nationalitäten hinweg“, so auf einer Tafel notiert. Einer der Überlebenden war der Widerstandskämpfer Pierre Sudreau. Er traf mich mit seinen Worten mitten ins Herz: „In den Lagern bin ich zum Europäer geworden.“ Was für eine Aussage nach all den Folterungen, Gräueltaten und Ermordungen durch den von Hitler verursachten und getätigten Wahnsinn. 

Und heute, im Jahr 2022, stehen wir Europäer wieder vor einem solchen Wahnsinn. Krieg, Ermordungen, Massengräber. Haben wir nichts gelernt? Ich wünsche mir wieder Widerstandskämpfer wie Pierre Sudreau, die für ein geeinigtes Europa einstehen und hoffe wir ‚überleben‘ wie er die düsteren Zeiten, die im Moment massiv auf uns zu kommen. Existenzängste der Bürger und Bürgerinnen, genährt durch pandemische Auswirkungen auf unser Gesellschaftssystem, Energie- und Ressourcenknappheiten, Inflation, Rezession, mangelnde Sicherheits- und Führungskonzepte und vieles mehr sind gepaart von der Umweltzerstörung und Klimakatastrophe, obgleich Jahrzehnte lang, bereits durch kompetente Wissenschaftler weltweit davor gewarnt wurde. Ich bin kein Pessimist, eher der Realist, deshalb auch das Worst-Case-Szenario in meiner Betrachtung. Die Gefahr eines auf Europa sich ausdehnenden Kriegs sind nicht von der Hand zu weisen und die potenzielle Möglichkeit des Einsatzes von Atombomben kommt verschlimmernd dazu.

Um den Bogen wieder zu meinem Besuch in Natzweiler zu spannen, zitiere ich den ebenso überlebenden französische Deportierten, Robert Salomon und schöpfe daraus Hoffnung:

„Die Geburtsstunde unserer Solidarität als freie Menschen, unserer fortan gemeinsamen europäischen Brüderlichkeit über Sprachbarrieren, Nationalitäten, Religionen, Überzeugungen und Grenzen hinweg schlug in den Konzentrationslagern. So etwas sollten weder wir noch unsere Kinder und Enkel, ja, die Menschheit an sich, jemals wieder erleben. … Es lebe Europa, es lebe die Freiheit und es lebe der Frieden.“

Mit Frieden sind wir in der Lage wieder alles zu richten, denn gemeinsam sind wir stark, kreativ, fleißig und klug.

Ich gehe jetzt schlafen und höre die Zeilen der Musik von Silbermond aus der heutigen Zeit: 

„Und weiße Fahnen wehen

und alle sind frei, frei, frei

Diese Nacht mein Freund

hab ich vom Frieden geträumt.“

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